Persönliche Zukunftsplanung im Rahmen einer individuellen Berufsplanung

Eine gute Möglichkeit, die verschiedenen Beteiligten und UnterstützerInnen in den Prozess der individuellen Berufsplanung einzubinden, ist die Bildung eines Unterstützungskreises (vgl. Niedermair/Tschann 1999a) und die Methode der Persönlichen Zukunftsplanung (vgl. Doose 2004b, Doose, Emrich, Göbel 2004, Emrich, Gromann, Niehoff 2006, Netzwerk People First 2003, Boban/Hinz 2005, Niedermair/Tschann 1999a , O’Brien/Pearpoint 2002, O’Brien/O’Brien 1999, Mount 2000, Mount 1994). Persönliche Zukunftsplanung ist ein ganzheitlicher methodischer Ansatz, mit Menschen mit und ohne Behinderung über ihre Zukunft nachzudenken, sich Ziele zu setzen und diese konkret mit anderen umzusetzen. Persönliche Zukunftsplanung bietet sich immer dann an, wenn sich im Leben einer Person etwas ändern soll. Sie kann dabei alle relevanten Lebensbereiche wie Wohnen, Freizeit, Arbeit und Bildung umfassen. Es geht darum, eine positive und realistische Vision von einer lebenswerten Zukunft mit der planenden Person zu erarbeiten und sie zu unterstützen, diese umzusetzen. Persönliche Zukunftsplanung basiert dabei wie Unterstützte Beschäftigung auf einem Grundverständnis, das an Stärken und Fähigkeiten statt an Beeinträchtigungen anknüpft, Möglichkeiten statt Begrenzungen in den Fokus nimmt und gute individuelle Unterstützung und Assistenz als Schlüssel zur Teilhabe in allen Bereichen des Gemeinwesens sieht (vgl. Doose 2004b). Persönliche Zukunftsplanung bietet sich deshalb sowohl vom Grundverständnis als auch vom methodischen Vorgehen als Planungsprozess für Unterstützte Beschäftigung an.


Phasen Persönlicher Zukunftsplanung:

  1. Erstellung eines persönlichen Profils
  2. Erkunden von Fähigkeiten und Interessen
  3. Entwicklung einer Vision ( z. B. einer persönlichen beruflichen Perspektive)
  4. Erkundung von Möglichkeiten und Hemmnissen
  5. Erstellung eines Aktionsplans
  6. Durchführung des Aktionsplans
  7. Reflexion des Erreichten

Persönliche Zukunftsplanung nutzt verschiedene Materialien wie z. B. Kartensets mit Bildern und Zeichnungen, Arbeitsblätter und Übungen, um mit der Person Wünsche und Träume zu erkunden, Stärken und Fähigkeiten zu entdecken, Unterstützungspersonen und -ressourcen zu identifizieren und persönliche Ziele zu setzen (vgl. Doose 2004b, Doose, Emrich, Göbel 2004) . Ein zentrales Element sind die persönlichen Zukunftsplanungstreffen. Bei einem solchen Treffen nehmen auf direkte Einladung und Auswahl der planenden Person alle Menschen teil, die mit der Person über ihre persönliche Zukunft nachdenken wollen. Dies können neben der Person selbst die Eltern, Freunde, LehrerInnen, die BeraterIn aus einem Integrationsfachdienst, BerufsberaterInnen, ErzieherInnen aus der Wohngruppe oder auch Nachbarn sein. Diese Gruppe wird auch als Unterstützungskreis bezeichnet. Ziel ist es, durch einen kooperativen Planungsprozess verschiedene Perspektiven und Ideen bezüglich der Zukunft der planenden Person zusammenzutragen und die Person bei der Umsetzung ihrer Pläne zu unterstützen. Es findet so eine Vernetzung aller Beteiligten im Einzelfall statt.

Diese Treffen können bei der Person zu Hause, in den Räumen eines Integrationsfachdienstes, in der Schule oder aber auch in einem abgetrennten Raum in einer Gaststätte stattfinden. Wichtig ist eine gute Moderation, bei der darauf geachtet wird, dass die Fähigkeiten der planenden Person, ihre Möglichkeiten und die Zukunft im Vordergrund stehen und nicht die Defizite, Unmöglichkeiten und die Abrechnung mit der Vergangenheit.

Bei einigen Personen formieren sich aus solchen Treffen längerfristige Unterstützungskreise, die bereit sind, sich mit der Person regelmäßig zu treffen und an einer besseren Lebensqualität und konstruktiven Lösung auftretender Probleme mitzuwirken (Niedermair/Tschann 1999a, Göbel/Kasang 2005). Es hat sich besonders in schwierigen Übergangssituationen ( z. B. von der Schule in den Beruf) als sinnvoll erwiesen, einen kontinuierlichen Unterstützungskreis als Keimzelle für Ideen in der individuellen Berufs- und Zukunftsplanung und für vielfältige Unterstützung in dieser Übergangsphase zu installieren. Der Unterstützungskreis vernetzt die beteiligten Personen und Institutionen aus verschiedenen Bereichen, so dass nicht ein Beteiligter allein für die Umsetzung verantwortlich sein muss. Es bildet sich häufig bei den Treffen des Unterstützungskreises eine Kerngruppe heraus, die den Prozess der Persönlichen Zukunftsplanung trägt, hinzu kommen weitere Beteiligte, die zu einzelnen Themen und Treffen dabei sind. Die Häufigkeit der Treffen der Unterstützungskreise sollte sich nach dem Bedarf richten, so können z. B. bei einem kritischen Übergangsprozess vier bis fünf Treffen in einem Jahr sinnvoll sein, während andere sich nur einmal im Jahr zu einem Zukunftsplanungstreffen verabreden, um die Aktivitäten im vergangenen Jahr reflektieren und für das nächste Jahr planen.


Der Unterstützungskreis kann

  • bei der Klärung und Entwicklung einer persönlichen Vision helfen
  • Informationen über Möglichkeiten und zu erwartende Hindernisse zusammentragen, z. B. bei der Suche von Praktikumsstellen, Arbeitsplätzen
  • Strategien zur Umsetzung der Vision zusammen mit der planenden Person entwickeln
  • Möglichkeiten und Chancen identifizieren und die planende Person beim Ausprobieren begleiten, z. B. mit der planenden Person Praktika auswerten
  • gemeinsam mit der Hauptperson die nächsten Schritte planen
  • Probleme und Hindernisse analysieren und überwinden
  • Unterstützungsbedarfe erkunden und beschreiben
  • die planende Person auf verschiedene Weisen unterstützen (Informationen- und Ideensammlung, konkrete Unterstützung bei verschiedenen Aktivitäten, alltagspraktische Unterstützung, Ermutigung und emotionale Unterstützung)
  • auf unterschiedlichen Ebenen agieren, da Personen mit unterschiedlichen Rollen im Unterstützungskreis vertreten sind (planende Person, Professionelle, Eltern, Bekannte)
  • Sicherheit in der unsicheren Situation eines Übergangs geben
  • sich gegenseitig ermutigen, Energie aufladen, bereits Erreichtes festhalten und Erfolge sichtbar machen
  • durch die Nutzung (informeller) Kontakte der Unterstützungspersonen Möglichkeiten erschließen

(vgl. Niedermair/Tschann 1999a, Doose 2004b, 35)

Die Rolle der IntegrationsberaterIn ist in diesem Zusammenhang eher die der ModeratorIn des Übergangsprozesses. Sie ist nur eine von mehreren ExpertInnen (einschließlich der planenden Person selbst), deren Kenntnisse, Verbindungen und Ressourcen wichtig sind. Durch die heterogene Zusammensetzung kommen vielfältige Kompetenzen zusammen. Die unterschiedlichen Rollen ermöglichen es, auf verschiedenen Ebenen zu handeln: Manchmal erreichen Professionelle durch ihre Kontakte und ihre Position Dinge leichter als die planende Person oder ihre Familie, bei anderen Dingen kann es genau umgekehrt sein. Gemeinsam lässt sich mehr erreichen, parallele Aktivitäten werden besser aufeinander abgestimmt. Was bisher in Einzelgesprächen geklärt wurde, kann gemeinsam besprochen werden. Obwohl die Organisation eines Unterstützungskreises zunächst Zeit kostet, kann dadurch im Ergebnis viel Zeit gespart werden. Es ist sinnvoll, wenn eine in der Moderation von Gruppen erfahrene Person die Moderation des Unterstützungskreises übernimmt. Ihre Aufgabe ist es sicherzustellen, dass alle Beteiligten zu Wort kommen, die Beiträge konstruktiv auf die Entwicklung einer beruflichen Perspektive gerichtet sind und die planende Person als Hauptperson den Planungsprozess steuert. Es gibt mittlerweile hilfreiche allgemeine Literatur zu Moderationstechniken ( z. B. Seifert 1999), aber auch spezielle Hinweise zur Moderation von Unterstützungskreisen (Doose 2004b, 36 ff.). Bei der Ideensammlung und Problemlösung können auch bekannte Kreativitäts- und Problemlösungstechniken eingesetzt werden (Nöllke 2006, de Bono 1989, Bugdahl 1995, Sellnow 2004).

Am Anfang des Prozesses kann beispielsweise die Erstellung eines persönlichen Profils mit Stärken und Fähigkeiten, Träumen und beruflichen Zielen sowie der Auswertung beruflicher Vorerfahrungen im Vordergrund stehen. Dabei können die Leitfragen für alle sichtbar auf Poster oder Plakate gemalt werden und zur Strukturierung des Treffens dienen. Leitfragen können z. B. für den Prozess der individuellen Berufsplanung sein (vgl. Doose 2004b, 36):

  • Was sind die Stärken, Fähigkeiten und Fertigkeiten?
  • Was sind die Träume in den Bereichen Wohnen, Freizeit und/ oder Arbeit?
  • Was sind die Ziele für den Bereich Arbeit?
  • Welche beruflichen Vorerfahrungen liegen vor?
  • Welche Rahmenbedingungen braucht die Person, um erfolgreich arbeiten zu können?
  • Welche Ideen für Arbeitsmöglichkeiten fallen uns ein?
  • Ressourcen: Wer kann helfen? Wen kennen wir? Welche Mittel stehen zur Verfügung?
  • Aktionsplan: Was sind die nächsten Schritte? Wer macht was mit wem bis wann?

Der Aktionsplan ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Persönlichen Zukunftsplanung und ist in der individuellen Berufsplanung Teil des Integrationsplans. Es geht nicht nur darum, gemeinsam zu träumen und Visionen für die Zukunft mit einer Person zu entwickeln, sondern gemeinsam Schritt für Schritt das Mögliche zu erkunden, die Visionen wahr werden zu lassen und Probleme zu lösen. Für die Erstellung eines Aktionsplans bietet sich der PATH-Prozess als eine Methode an ( O’Brien/Pearpoint 2002, Doose, Emrich, Göbel 2004, Netzwerk People First 2004).

Bei der Aufstellung eines Aktionsplans sollte

  • jeder Beteiligte genau wissen, welche Maßnahmen wann wie ergriffen werden
  • jeder Person bewusst sein, wofür er oder sie innerhalb welchen Zeitrahmens verantwortlich ist
  • auf eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Beteiligten geachtet werden
  • sich die Zeitplanung in einem realistischen Rahmen bewegen

Günstige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Aktionsplan:

Der Aktionsplan

  • entspricht den Interessen und Zielen der planenden Person und trifft auf ihre Zustimmung
  • führt zu weiteren positiven Entwicklungen
  • besteht aus einer überschaubaren Anzahl von umzusetzenden Schritten (ein bis sechs), die auch sehr wahrscheinlich umgesetzt werden können
  • lässt die planende Person bei der Umsetzung wertvolle Erfahrungen sammeln
  • enthält keine Hürden, die die Person zurzeit nicht überwinden kann
  • wird von den wichtigsten Personen aus dem sozialen Umfeld mitgetragen und voll unterstützt
  • wird von allen Beteiligten begleitet, die auch bei auftretenden Problemen mit nach Lösungen suchen.

Bei den folgenden Treffen wird dann an der Umsetzung des Aktionsplans gearbeitet, werden Erfahrungen ausgetauscht (Was ist seit dem letzten Treffen positiv gelaufen? Welche neuen Erkenntnisse und Ideen haben wir gewonnen?) und Probleme gemeinsam gelöst (Wo tauchen Probleme auf? Wie können wir sie lösen?).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die individuelle Berufsplanung ein aktionsorientierter, flexibler und individueller Planungsprozess ist, der von der arbeitssuchenden Person gesteuert und von der IntegrationsberaterIn moderiert wird und eine Vernetzung aller Unterstützungsressourcen im Einzelfall leistet. Das persönliche berufliche Profil ist ein Fähigkeits- und Leistungsprofil, welches als Ausgangspunkt für die Suche eines passgenauen Arbeitsplatzes dient. Der Integrationsplan ist der gemeinsame Aktionsplan und legt mit der KundIn fest, mit welchen Schritten durch wen bis wann das Ziel erreicht werden soll.

Vertiefende Literatur zum Thema Persönliche Zukunftsplanung in bidok:

Doose, Stefan: „I want my dream!“ Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven einer individuellen Hilfeplanung mit Menschen mit Behinderungen. Broschüre mit Materialienteil. Hamburg 1996, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage Kassel 2004. Textteil verfügbar über: http://bidok.uibk.ac.at/library/doose-zukunftsplanung.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Göbel, Susanne / Kasang, Maik: „Am liebsten die Taube in der Hand“. Berufliche Wünsche planvoll unterstützten. In: impulse (2005), H.33, 3-7. Verfügbar über: http://bidok.uibk.ac.at/library/imp-33-05-kasang-taube.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Niedermair, Claudia/ Tschann, Elisabeth: „Ich möchte arbeiten“ Der Unterstützerkreis. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 23 (1999), H.4/5, S. 37-42. Verfügbar über: http://bidok.uibk.ac.at/library/beh4-99-arbeiten.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Niedermair, Claudia/ Tschann, Elisabeth: „Ich möchte arbeiten“ Portraits von sechs Jugendlichen. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft 23 (1999), H.4/5, S. 24-36. Verfügbar über: http://bidok.uibk.ac.at/library/beh4-99-portraits.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Boban, Ines: Moderation Persönlicher Zukunftsplanung in einem Unterstützerkreis - "You have to dance with the group!". http://bidok.uibk.ac.at/library/boban-moderation.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Boban, Ines / Hinz, Andreas : Persönliche Zukunftskonferenzen. Unterstützung für individuelle Lebenswege. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft, 4/5/99, 13-23. Verfügbar über: http://bidok.uibk.ac.at/library/beh4-99-konferenz.html [Datum des Zugriffs: 15.10.2007]

Vielfältige Materialien, Texte und Downloadmöglichkeiten bietet auch die Internetseite www.persoenliche-zukunftsplanung.de

Zuletzt geändert: Montag, 19. August 2013, 14:43