Sicherung bestehender Arbeitsverhältnisse
Nachgehende Integrationsbegleitung, ggf. Krisenintervention und Arbeitsassistenz
Die nachgehende Integrationsbegleitung des Arbeitsverhältnisses wird je nach Unterstützungsbedarf der ArbeitnehmerIn und des Betriebs eine unterschiedliche Intensität haben. In vielen Fällen wird nach einer intensiveren Unterstützung am Anfang des Arbeitsverhältnisses nur noch eine geringe Unterstützung am Arbeitsplatz notwendig sein, andere benötigen eine dauerhafte Unterstützung und kontinuierliche Arbeitsassistenz, um erfolgreich in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten zu können. Das Angewiesensein auf dauerhafte Unterstützung darf kein Ausschlusskriterium für die berufliche Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sein.
Auch nach einer Beendigung der intensiven Unterstützung des Arbeitsverhältnisses durch Job Coaching ist es wichtig, dass der Integrationsfachdienst, der Betrieb und die ArbeitnehmerIn im Gespräch bleiben und regelmäßige Kontakte gepflegt werden. Die Häufigkeit und die Art der Rückmeldung sollte dabei zwischen den Beteiligten klar vereinbart werden. Auch hier gilt es möglichst konkret in Bezug auf wesentliche Aspekte und mögliche Problembereiche des Arbeitsverhältnisses nachzufragen, um frühzeitig Probleme zu erkennen. Wichtig ist, dass sowohl die ArbeitgeberIn als auch die ArbeitnehmerIn sich bei Problemen einfach beim Integrationsfachdienst melden können und dort eine vertraute Ansprechperson haben. Dazu ist eine professionelle Kontinuität durch den Integrationsfachdienst wichtig. Der Integrationsfachdienst sollte zwischen den vereinbarten regelmäßigen Kontakten sozusagen auf „stand by“ stehen und jederzeit niedrigschwellig aktiviert werden können. In regelmäßigem positiven Kontakt mit der ArbeitnehmerIn und dem Betrieb zu sein, ermöglicht es nicht nur, frühzeitig bei auftretenden Problemen zu vermitteln, sondern erlaubt es häufig auch, im Laufe der Zeit weitere Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erschließen. Die Chancen des Integrationsfachdienstes liegen darin, auf der Basis der regelmäßigen Kontakte und eines aufgebauten Vertrauensverhältnisses rechtzeitig von Problemen zu erfahren. Auch niedrigschwellige Nachbetreuungsangebote wie Stammtische, Weiterbildungskurse oder Freizeitangebote für unterstützte ArbeitnehmerInnen sind nicht nur gute Möglichkeiten, die soziale Integration und die Vernetzung der unterstützten ArbeitnehmerInnen untereinander zu fördern, sondern auch geeignet, um frühzeitig von Problemen am Arbeitsplatz zu erfahren. Grundsätzlich gilt: „Krisen meistert man am besten, in dem man ihnen zuvorkommt“ (Walt Whitmann Rostow). Ohne eine aktive Beziehungspflege besteht die Gefahr, erst in einem so späten Stadium der Kriseneskalation, z. B. im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens, eingeschaltet zu werden, in dem es oft schwer ist, das Arbeitsverhältnis noch zu erhalten. Dabei treten in einer Reihe von Arbeitsverhältnissen nach Abschluss des Arbeitsvertrags noch Probleme auf, die das Arbeitsverhältnis gefährden. Folgende Problemlagen bei bestehenden Arbeitsverhältnissen können auftreten (vgl. Schartmann 2005, 273):
- Die ArbeitnehmerIn mit Lernschwierigkeiten verliert ihre AnsprechpartnerIn im Betrieb, weil diese berentet wird oder den Arbeitsplatz wechselt.
- Der Betrieb wird aus wirtschaftlichen Gründen umstrukturiert. Die Arbeitsaufgaben ändern sich.
- Der Betrieb schafft eine neue Maschine an und die ArbeitnehmerIn benötigt eine intensive Einarbeitung.
- Die ArbeitnehmerIn gerät aufgrund privater Schwierigkeiten in eine psychische Krise und kann die anstehenden Aufgaben nicht mehr bewältigen.
- Die ArbeitnehmerIn ist plötzlich unpünktlich und hat hohe Fehlzeiten. Das Arbeitsverhältnis ist gefährdet.
- Die ArbeitgeberIn stellt einen erheblichen und für sie unerklärlichen Leistungsabfall fest.
- Die Eltern, bei denen die unterstützte ArbeitnehmerIn wohnt, werden alt und hilfsbedürftig oder sterben. Durch den Zusammenbruch des häuslichen Unterstützungssystems ist auch der Arbeitsplatz gefährdet.
Eine schnelle und vor allem niedrigschwellige Hilfe bei Problemen durch den Integrationsfachdienst kann selbst Arbeitsverhältnisse mit häufiger auftretenden Problemen durch die Vermittlung der IntegrationsberaterIn zwischen der ArbeitnehmerIn und der ArbeitgeberIn bzw. den KollegInnen nachhaltig stabilisieren. Ein guter Ansatzpunkt ist hier das Konzept der Mediation (vgl. Besemer 1995, Besemer 1999). Manchmal ist eine erneute Intensivierung der Unterstützung durch Job Coaching sinnvoll, um z. B. die Qualifizierung eines neuen Arbeitsbereichs zu unterstützen, den Arbeitsplatz neu anzupassen oder einer längere krisenhafte Phase zu begleiten. Gerade bei Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung ist häufig ein wellenförmiger Unterstützungsbedarf zu beobachten.
Selbst bei optimaler Förderung ihrer Fähigkeiten und Leistungsfähigkeit und guter Anpassung des Arbeitsplatzes bleiben einige Menschen aufgrund ihrer Behinderungen dauerhaft auf Unterstützung angewiesen, um erfolgreich am Arbeitsleben teilhaben zu können. Die notwendige Integrationsbegleitung kann sich auf eine kontinuierliche berufsbegleitende Unterstützung und psychosoziale Begleitung der ArbeitnehmerIn beziehen, aber auch auf instrumentelle oder personelle Unterstützung am Arbeitsplatz durch Arbeitsassistenz, etwa durch Handreichungen, das Vorlesen von Texten, bei der Kommunikation, der Mobilität, beim Essen oder bei Toilettengängen.
Arbeitsassistenz umfasst dabei in Deutschland die aufgrund der Behinderung dauerhaft notwendige personelle Unterstützung am Arbeitsplatz und ist eine Form der persönlichen Assistenz, auf die nach § 102 Abs. 4 SGB IX ein Rechtsanspruch besteht. Als weitere Möglichkeit kann das Integrationsamt dem Betrieb die finanziellen Aufwendungen für die stundenweise Bereitstellung von interner Arbeitsassistenz durch KollegInnen erstatten. In Österreich wird die sogenannte Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (PAS) vom Bundessozialamt bewilligt, die mindestens die Pflegestufe 3 haben.
Betriebe können in Deutschland auch einen dauerhaften Minderleistungsausgleich erhalten, wenn die Leistungsfähigkeit der ArbeitnehmerIn mit Behinderung dauerhaft erheblich gegenüber vergleichbaren nichtbehinderten KollegInnen eingeschränkt ist. Diese Erstattungen außergewöhnlicher Belastungen von ArbeitgeberInnen nach § 27 SchwAV handhaben die einzelnen Integrationsämtern allerdings sehr unterschiedlich. In Österreich kann eine langfristige Entgeltbeihilfe entsprechend der Leistungsminderung für die Beschäftigung eines sogenannten begünstigten Behinderten bis zu 50% der Bruttolohnkosten (max. 650 Euro) vom Bundessozialamt gezahlt werden. Diese Hilfe kann prinzipiell unbegrenzt erbracht werden, muss aber jährlich neu beantragt werden.
Insgesamt sind vielfältige, unterschiedliche Hilfen erforderlich, um Menschen mit Behinderung, die auf dauerhafte Unterstützung angewiesen sind, langfristig im Arbeitsleben zu integrieren.
Bisher hatten Menschen mit schweren Lern- und Mehrfachbehinderungen, die auf längerfristige und intensive Unterstützung im Arbeitsleben angewiesen sind, in Deutschland keine Alternative zur WfbM oder der Arbeitslosigkeit. Unterstützte Beschäftigung geht davon aus, dass auch Menschen mit einer schweren Behinderung gemeinsam mit nichtbehinderten KollegInnen in regulären Betrieben arbeiten können, wenn sie die notwendige Unterstützung und Hilfen erhalten. Die Leitfrage von Unterstützter Beschäftigung ist so nicht ob, sondern wie Menschen mit einer schweren Behinderung in regulären Betrieben unterstützt und integriert werden können. Obwohl in den letzten Jahren die Möglichkeiten der dauerhaften Unterstützung im Arbeitsleben gesetzlich verbessert wurden, ist es noch längst nicht die Regel, dass Menschen mit schwerer Behinderung sie tatsächlich erhalten und eine echte Wahlmöglichkeit hinsichtlich ihrer Unterstützung im Arbeitsleben haben. Eine neue Chance könnte sich in Zukunft durch das Persönliche Budget nach § 17 SGB IX ergeben, das es Menschen mit schweren Lern- und Mehrfachbehinderungen ermöglichen könnte, die Mittel für die Unterstützung im Arbeitsleben statt nur im Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich der WfbM, für die Unterstützung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts, z. B. in einem betrieblichen Arbeitstraining oder auf dauerhaft ausgelagerten Werkstattarbeitsplätzen einzusetzen.